Rezension: TAG Heuer Carrera Heuer-02T
Wenn Sie mehr als zehntausend Euro für eine Uhr ausgeben möchten, werden Sie wahrscheinlich nach einer Rolex, Breguet oder vielleicht sogar einer älteren Patek Philippe Ausschau halten – doch es gibt einen Ort, an dem Sie sicherlich nicht suchen werden: TAG Heuer. Wonach Sie auch nicht suchen werden, sind hohe Komplikationen, ewige Kalender, Tourbillons und dergleichen. Aber könnte die Heuer-02T das alles ändern?
Ohne jetzt abwertend oder herablassend klingen zu wollen, werden die Uhren von TAG Heuer oft als Einstiegsmodelle in die Luxus-Uhrmacherei betrachtet. Sie lassen sich irgendwo zwischen den Modeuhren und den kostspieligen Marken in den Schaufenstern der Juweliere verorten – einem preislichen Niemandsland, das den Käufer zwar von einer Gucci oder Michael Kors zu einer – in Anführungszeichen – richtigen Uhr verleiten, aber nicht vom Kauf eines teureren Modells von Omega oder Breitling abhalten kann.
Dies ist keine Verunglimpfung, sondern einfach der Stand der Dinge. Es ist bedauerlich, zumal der ehemals als Heuer bekannte Uhrmacher TAG Heuer nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart wichtige Beiträge zur Welt der mechanischen Uhrmacherkunst geleistet hat. Wenn überhaupt, hat TAG Heuer in der „TAG“-Phase seines Bestehens mehr geleistet als zuvor und hier liegt die Ursache für einen Großteil der Verleumdung der Marke.
Vor den TAG-Zeiten konzentrierte sich Heuer auf das Geschäft mit dem Motorsport. Mit der Umstellung von Stoppuhren auf Armbanduhren tat Heuer, was viele andere auch taten, und verzichtete auf die Herstellung eigener Produkte, um sie stattdessen aus Katalogen zu beziehen. Ein Uhrwerk hier, ein Gehäuse dort, ein passendes Zifferblatt dazu. Die Carrera, vielleicht eine der berühmtesten Uhren von Heuer, stammt aus einem Katalog, die Monaco ebenso. Rolex, Breitling und manchmal sogar Omega, obgleich ein absoluter Gigant, haben alle dasselbe getan. Und IWC, Jaeger-LeCoultre, Audemars Piguet, Patek Philippe – alle diese Marken kauften bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts auf die eine oder andere Weise Bauteile. So war das damals nun einmal.
Der Einfluss der Marke Heuer war vielmehr von kultureller Bedeutung. Formel 1, Le Mans, Jo Siffert, Jackie Ickx, Steve McQueen, Monaco, Silverstone, Monza – Heuer war das Aushängeschild für die Zeitmessung im Motorsport und gehörte ebenso zur Szenerie eines Rennwochenendes wie die Autos und Fahrer selbst.
Heuer hat die mittlerweile unzertrennliche Partnerschaft zwischen Armbanduhren und Rennwagen in die Wege geleitet, indem es dem Rennfahrer Jo Siffert erlaubte, Armbanduhren an andere Fahrer im Fahrerlager zu verkaufen, um sein angeschlagenes Porsche-Geschäft zu finanzieren. Aber das ist nicht der Rede wert.
Bildunterschrift: Heuer wurde 1860 im schweizerischen Saint-Imier gegründet Im Vergleich dazu hat die moderne Post-TAG-Heuer mehr zur mechanischen Uhrmacherkunst beigetragen als die meisten anderen Marken. Nach der Übernahme durch die Holdinggesellschaft Techniques d’Avant Garde – ja, dieselbe Techniques d’Avant Garde, die zusammen mit Porsche die monströsen F1-Turbomotoren der 1980er Jahre gebaut hat – befand sich die Uhrenmanufaktur, wie viele andere der damaligen Zeit, in einer Phase des Wandels. Mechanische Uhren waren dank Quarz nicht mehr gefragt und das hat schlichtweg alles ruiniert.
Nun, nicht ganz alles, da wir offenbar eine gewisse Vorliebe für mechanische Uhren haben. So wie ein Elektroauto in fast jeder Hinsicht besser als ein mit Dinosauriersaft betriebenes Auto ist, so mag Quarz die Mechanik in puncto Leistung geschlagen haben, aber die Romantik war einfach nicht da. Tickende Räderwerke und Spiralfedern – irgendetwas daran fühlt sich einfach richtig an.
Und genau daraus will die moderne TAG Heuer Kapital schlagen, um ihren Ruf als Post-Quarz-Einsteigeruhr loszuwerden. Die Carrera-Mikro-Serie beispielsweise brachte die Genauigkeit auf eine Tausendstel-, dann auf eine Zweitausendstel- und schließlich auf eine Zehntausendstelsekunde; die Monaco V4 hat mit ihrem unglaublichen riemengetriebenen Uhrwerk die Regeln neu geschrieben; und jetzt gibt es sie, die Heuer-02T, das Tourbillon-Modell, das Sie für den Preis einer Daytona haben können.
Wenn Sie viel Geld – sprich zehn-, wenn nicht hunderttausende Euro – für eine Uhr ausgeben können und nach etwas wirklich Besonderem suchen, werden Sie wahrscheinlich hohe Komplikationen, also Minutenrepetitionen, ewige Kalender, Doppelchronographen und Tourbillons in Betracht ziehen. Diese äußerst komplexen Mechanismen sind die Krönung der modernen und klassischen Uhrmacherkunst und zeugen von der Fähigkeit eines Uhrmachers, sich mit den Besten messen zu können.
Bildunterschrift: Das „TAG“ in TAG Heuer steht für Techniques d’Avant Garde. Techniques d’Avant Garde erwarb eine Mehrheitsbeteiligung an Heuer und gründete 1985 TAG Heuer
Und alle diese Funktionen sind nicht nur sehr kompliziert, sondern auch sehr alt. Sie reichen viele Jahrhunderte zurück und stellten die ultimative Herausforderung in der Uhrmacherei dar, von Uhren über Taschenuhren bis hin zu Armbanduhren. Das Tourbillon beispielsweise ist eine Erfindung aus dem Jahr 1795, die auf das Problem der hängenden Taschenuhr zurückgeht. Man stellte fest, dass die Unruh, die Komponente einer Uhr, die hin und her schwingt, um die Zeit zu regulieren, durch die Schwerkraft beeinträchtigt wurde, wenn sie auf der Seite lag, und so beschloss der Uhrmacher Abraham-Louis Breguet, dieses Problem zu beheben.
Die Lösung hätte ganz einfach darin bestehen können, die Unruh von einer parallelen in eine senkrechte Position zur Schwerkraft zu bringen, aber das war für Breguet viel zu unelegant. Da die Ergonomie der Uhr den Winkel der Unruh vorgab, wollte er stattdessen irgendwie erreichen, dass keine Seite dieses regulierenden Organs mehr der Schwerkraft ausgesetzt ist als eine andere. Das ist so, als würde man sagen, dass sich ein Boot während der Fahrt ständig drehen muss, um die Abnutzung durch die See zu verringern – ein technischer Albtraum.
Und es war in der Tat ein technischer Albtraum, doch er schaffte es, nicht nur die Unruh, sondern die gesamte Hemmung in einem sekundären Mechanismus unterzubringen, der sich ständig drehte. Er meisterte die Probleme der erhöhten Masse, der konstanten Kupplung und der wachsenden Komplexität – und nannte seine Erfindung „Tourbillon“, französisch für „Wirbelwind“.
Obwohl eine Armbanduhr mit ihrer ständig wechselnden Position das Tourbillon nicht mehr benötigt, wird es dennoch – so wie das mechanische Uhrwerk selbst – als Emblem der Uhrmacherkunst weitergeführt. Für TAG Heuer ist dies eine Gelegenheit, sich aus dem Niemandsland zwischen den Modeuhren und ihrer einstigen Hauptrivalen Omega und Breitling zu befreien. Ein Schweizer Tourbillon kostet in der Regel mehrere zehntausend Euro – die Heuer-02T ist etwa so teuer wie ein Cosmograph Daytona.
Bildunterschrift: „Tourbillon“ ist französisch für „Wirbelwind“ Okay, ein chinesisches Tourbillon kostet zwar nur halb so viel, ist aber als Ausreißer, der nicht die gleichen Qualitäts- oder Leistungskriterien erfüllen muss (die Heuer-02T besitzt beispielsweise eine Chronometer-Zertifizierung), ähnlich schlecht vergleichbar wie ein billig auf 1000 PS getunter Supra mit einem Bugatti Veyron. Der eine erbringt jeden Tag nonstop Leistung, der andere endet nach nicht allzu langer Zeit als Briefbeschwerer.
Und TAG Heuer hat diese Uhr speziell für den täglichen Gebrauch entwickelt. Sie ist 100 Meter wasserdicht, verfügt über ein Chronographenwerk mit Schaltrad, zieht sich von alleine auf und hat eine Gangreserve von 65 Stunden. Die Indizes leuchten, das Armband ist für den Tragekomfort gummiert, das Gehäuse aus Titan gefertigt und daher sehr leicht. Jedes Detail dieser Uhr lädt dazu ein, sie wie eine Carrera zu tragen, die nur ein Zehntel so viel kostet. Der Verarbeitungsqualität ist zu verdanken, dass TAG Heuer dies tun kann und trotzdem die Chronometer-Zertifizierung beibehält.
Im Mittelpunkt der 230 Teile dieses Uhrwerks steht natürlich das Tourbillon. Der Rotor ist mit Mikrogewichten für die Feineinstellung sowie einem Titankäfig versehen. Auf Wunsch können Sie die Uhr auch mit einem Käfig aus Kohlefaserverbundwerkstoff und sogar einer Spiralfeder ausstatten. Es ist also nicht nur das erschwinglichste Schweizer Tourbillon auf dem Markt, sondern auch eines der wenigen, das Sie wirklich jeden Tag benutzen können.
TAG Heurer möchte es Audi gleichtun: Durch die Produktion eines preiswerten Spitzenmodells, das mit Rivalen der höheren Preisklasse nicht nur auf Augenhöhe steht, sondern sie sogar in den Schatten stellt, versucht sich das Unternehmen aus dem alten Trott zu befreien. So wie der R8 bewiesen hat, dass Supersportwagen benutzerfreundlich, praktisch, zuverlässig und dazu auch noch erschwinglich sein können, tut TAG Heuer das Gleiche mit dem Tourbillon. Der R8 war ein großer Erfolg für Audi. Kann die Heuer-02T dasselbe für TAG Heuer erreichen?
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